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Steuerlöcher bei Krypto: Ämter schauen zu

Der Staat hat heute kaum Möglichkeiten, Steuerhinterzieher unter den Kryptohändlern aufzugreifen. Die Banken ärgern sich.

Andreas Valda, Redaktor Handelszeitung

«Merkt die Steuerverwaltung überhaupt, dass ich diese Kryptowährungen besitze?» Dies fragte im April dieses Jahres ein Kryptohändler in einem Forum der Online-Plattform «Moneyland». Auf der Plattform ist er unter dem Nutzernamen «Breschniev» registriert. Er erklärt auch, warum er sich das fragt. «Ich habe in der Steuererklärung 2020 meine Kryptowährungen nicht angegeben, da es sich auch nicht um eine grosse Summe handelte, die ich nie so ernst nahm. Nun ist der Wert aber explodiert. Somit müsste ich die wohl angeben.»

Die Kryptowerte sind tatsächlich explodiert. So hat beispielsweise der Bitcoin, der bekannteste aller Coins, letztes Jahr seinen Wert innert zwölf Monaten verzwanzigfacht, von 3800 auf 60’000 US-Dollar je Coin. Und er eilt derzeit neuen Rekorden entgegen. So versteht man, wenn sich «Breschniev» Sorgen um seine Steuerpflicht macht – und so mancher privater Trader mit ihm.

Nur: Kein Steueramt in der Schweiz merkt es, wenn «Breschniev» das Kryptovermögen nicht angibt. Die Steuerbehörden haben nämlich keine Handhabe, die Wallets von – das ist das Äquivalent zum Bankkonto – Kryptobörsen zu knacken. Deshalb heisst das System auch dezentralisierte Finanzmärkte (Defi). Stichwort Defi: Alle Teilnehmer sind dezentral miteinander verbunden und anonym unterwegs. Eine zentrale Instanz wie eine Bank ist per Definition nicht vorhanden. So etwas wie einen Steuerdatenaustausch zwischen Staaten und Defi-Plattformen gibt es nicht.

Bankensystem prüft Steuergeldwäsche

Diese Situation steht im scharfen Kontrast zum Bankensystem. Wer dort Vermögen in Franken oder anderen Währungen vor dem Fiskus verstecken will, hat es heute schwierig. Schweizer Banken überprüfen, ob die Vermögenswerte auf einem Konto versteuert sind. Schwere Fälle von Steuerhinterziehung müssen der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) angezeigt werden. Die Folge ist eine Busse oder Gefängnis.

Noch härter ist es im Ausland. Ausländische Bankguthaben schweizerischer Steuerpflichtiger werden dem Bund und den Kantonen automatisch gemeldet, so zieht das Steueramt den Steuerpflichtigen selbst bei kleineren Beträgen zur Rechenschaft. Das kann teuer werden.

Und selbst sehr Vermögende, die ihr Vermögen in einen vertraulichen Trust versteckt haben, fliegen früher oder später auf. Dies zeigen die geleakten Kontonummern und Namen der wirtschaftlich Berechtigten. Zuletzt war dies bei den sogenannten Panama Papers und Pandora Papers der Fall.

So fragt sich auch mancher privater Kryptohändler in der Schweiz, ob es riskant sei, Handelsgewinne oder -vermögen vor dem Fiskus zu verschweigen. Konkret interessiert «Breschniev», ob der Staat Informationen bekommt: «Erhalten die Steuerämter von jedem Kunden von Coinbase jährlich einen Report?»

Die Handelsplattform Coinbase ist eine der bekanntesten Wallet-Anbieterinnen und eine US-Firma. In den USA hat Coinbase zwar einen Prozess mit der dortigen Steuerbehörde IRS am Hals wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung durch US-Kunden. Doch sollte die IRS Daten regelmässig erhalten, schickt sie dennoch keine Steuerkundendaten in die Schweiz.

Fehlanzeige also. Meldepflichten wie Banken haben die meisten Kryptoplattformen nicht, nicht einmal europäische. Kryptobörsen und Online-Wallets unterstehen in der Regel keiner Pflicht zur Bekämpfung der Geldwäscherei.

Eine Ausnahme sind nur solche, die Kryptogelder einnehmen, handeln, verwalten oder vermitteln und die der Finanzmarktaufsicht direkt oder indirekt unterstellt sind. Ein Beispiel ist die Schweizer Firma Bitcoin Suisse. Als Finanzvermittlerin ist sie meldepflichtig und screent ihre Kunden auf Steuerhinterziehung hin. Eine solche Meldepflicht der Schweizer Aufsicht trifft aber nur solche Plattformen, die der Finma-Aufsicht direkt oder indirekt unterstellt sind und das Geldwäschereigesetz einhalten. Bei den meisten anderen Kryptoplattformen, vor allem bei ausländischen wie Coinbase, Kraken, Binance oder Bitpanda, können Kunden immer noch unentdeckt grosse Vermögen anhäufen. Viele Kryptobörsen und Kryptowallets sind denn auch ein Paradies für Steuerhinterzieher.

Und so erstaunen Kommentare des Bankensystems nicht. Nationalbank-Präsident Thomas Jordan sagte vor drei Jahren im Schweizer Fernsehen: «Bitcoins und andere Währungen werden sehr oft für dubiose Zwecke verwendet.» Und UBS-Präsident Axel Weber doppelte in der gleichen Sendung nach: «Kryptowährungen werden oft benutzt, um zu verschleiern, wer eigentlich dahinter steckt.»

Ab wann ist man ein Profi?

Schliesslich sind Krypto-Trader steuerpflichtig wie alle anderen. Seit Entstehen der Coins im Jahr 2008. In welchem Umfang, hängt davon ab, ob sie Gelegenheitstrader oder gewerbliche Trader sind. Ein Gelegenheitstrader zahlt lediglich Vermögenssteuern. Die Steuertarife sind tief und die steuerfreien Beträge vergleichsweise hoch – und je nach Wohnort verschieden hoch. Im Kanton Zürich beispielsweise liegt die Hürde bei 77'000 Franken für Alleinstehende. Allerdings ist sie schnell erreicht, wenn Kryptowährungen so boomen wie der Bitcoin. Darauf spielt auch «Breschniev» im Forum an, wenn er sagt, dass sein Vermögen enorm gewachsen sei.

Sobald ein Trader sein Geschäft systematisch betreibt oder davon lebt, gelten harte Regeln: Dann müssen auch Handelsgewinne versteuert werden. Und dann wird es schnell teuer, denn die Grenzsteuersätze liegen bei 30 bis 40 Prozent der Erträge.

Kryptotrader «Breschniev» schreibt, er habe «immer mal wieder gekauft, verkauft und gewechselt». Es sei gut möglich, dass er «als gewerblich eingestuft» werde. Er habe beim ausländischen Anbieter Coinbase gekauft, später bei Binance, «dann auf einem Offline-Wallet». Wie er genau handelt, ist nicht bekannt. Es gibt auch Kryptohandel direkt von Trader zu Trader.

Künstliche Intelligenz handelt automatisch

Ein Indiz für gewerbliches Traden könnte der Einsatz von Algorithmen sein, die in der Welt des Krypto nach Kauf- und Verkaufssignalen suchen und automatisiert Kauf- und Verkaufsorder generieren. Auf solche setzen fortgeschrittene Kryptotrader, wie Recherchen in Zürich und Genf zeigen.

Auf Algorithmen hat beispielsweise der in Zürich lebende, bekannte junge Kryptotrader Dadvan Yousuf gesetzt. Seit 2019 handelt er mit einer Software und verdient viel Coins damit. Und versteuerte im Nachhinein zurück ins 2018, als er seine erste Million hatte. Der Einsatz von Algorithmen dürfte von Steuerämtern als gewerbsmässig taxiert werden. Ein Gerichtsurteil zur Frage, ab wann ein Kryptotrader gewerblich handelt, gibt es allerdings nicht.

Erzielt ein Trader Erträge, die so hoch sind, dass er dafür mindestens 300'000 Franken Steuern pro Jahr zahlen müsste, wird er zum Fall schwerer Steuerhinterziehung.

Keine Zahlen zur Kryptoversteuerung

Fragt man Steuerbehörden, ob sie eine Methode haben, um Kryptohändler aufzugreifen, dann ist die generelle Antwort: Wir stützen uns auf die Ehrlichkeit der Steuerpflichtigen. Man habe zwar die Möglichkeit, den Hintergrund eines Kryptotraders zu überprüfen, aber dies hänge vom Einzelfall ab. Allerdings ist dies eine Standardantwort der Behörden, wenn es um Steuerhinterziehung geht.

Heute gibt es keine Zahlen zu versteuerten Kryptovermögen und zu privaten oder gewerbliche Handelserträgen. Die «Handelszeitung» hat vier Steuerbehörden befragt, darunter die von Schwyz, Zug und Zürich. Nirgendwo werden Vermögen und Erträge aus Kryptohandel separat erfasst. Die Kryptocoins werden als normale Wertschriften geführt und als solche statistisch nicht getrennt erfasst.

Auch deshalb haben Steuerämter keine auf Krypto spezialisierten Steuerkommissäre. Beispiel Kanton Zug. «Wir haben keinen eigens definierten Spezialbereich für Kryptohändler», sagt der dortige Chef der Steuerverwaltung. Das überrascht insofern, als dass Zug als «Crypto Valley» bekannt ist. Die anderen Kantone äussern sich nicht so deutlich zu der Frage, meinen aber dasselbe.

Deklarieren Kryptokäufer ihre Wallets in der Steuerklärung, so prüfen Steuerämter in der Regel nicht digital, ob die Angaben stimmen. Einige Kantone verlangen die Transaktions-Codes und Wallet-Codes, andere nicht. Die Überprüfung wäre auch heikel, denn der Zugang zu einem Wallet ist normalerweise passwortgeschützt. Offline-Wallets sind schon gar nicht zugänglich. Zürich verlangt den «Nachweis mittels eines Ausdrucks der digitalen Brieftasche (Wallet)». Zug lehnt dies hingegen ab mit der Begründung, dass es unangemessen wäre, die Bevölkerung unter den Generalverdacht einer Steuerhinterziehung zu stellen. «Daher verlangen wir auch keine Wallet-Codes.»

50 bis 75 Milliarden Franken Schweizer Kryptovermögen?

Was entgeht dem Staat an Steuern? Dazu gibt es keine Schätzung. Wie viel Geld haben denn Schweizer Steuerpflichtige heute in Kryptocoins angelegt? «Eine schwierige Frage», winken Szenenkenner ab. Wenig wird es nicht sein.

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